Raub in der Nacht

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Beschreibung

„Die Kaminski-Kids“ Band 11

Brunnen Verlag, Basel
200 Seiten, Hardcover gebunden,
mit Illustrationen von Lisa Gangwisch

Simon, Debora und Raffi können mit knapper Not einen Autodiebstahl verhindern, doch die Täter entkommen. Verdächtigerweise ebenfalls am Tatort: Manuel, der als Pflegejunge bei Familie Kaminski einzieht. Welche Rolle spielt der Junge in dem Fall? Und mit wem treibt er sich herum, wenn er sich nachts weg schleicht? Die Lage spitzt sich noch zu, als sich die Kripo einschaltet: Die Täter planen einen Überfall in der Nacht – und Manuel soll das Fluchtauto fahren …

„Sogar Lesemuffel werden durch die Kaminski-Kids zu Leseratten.“
Schweizer Illustrierte, CH-Zürich

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Leseprobe

1. „Haltet das Auto auf!“

 „Oh-oh!“
 Aufgeregt deutete Raffi zur Tankanzeige. „Wir haben fast kein Benzin mehr!“
„Kein Problem“, lächelte Silvia und machte den Blinker an. Ohne Umschweife steuerte die Haushälterin den alten VW-Kombi bei der nächsten Tankstelle ausgangs der Stadt vor eine der Zapfsäulen.
„Aber beeil dich bitte“, drängte Simon. „Bald kommt doch dieser Junge zu uns – da wollen wir unbedingt dabei sein, wenn er zu Hause eintrifft!“
Raffi stieg ebenfalls aus. „Ich geh schnell in den Laden rein.“
„Warum denn?“, fragte Debora erstaunt. „Wir waren doch gerade eben gross einkaufen.“
„Ja, schon, aber …“ Ungeduldig trat die Kleine von einem Bein aufs andere. „Ich muss Pipi.“
„Oh nein!“ Simon verdrehte die Augen. „Muss das denn jedesmal sein?“
„Dann kommen wir wohl besser mit rein, Raffi“, meinte Debora lachend. „Sonst gehst du uns am Ende noch verloren!“
Simon schob sich hinter seiner Schwester aus dem Auto. Bevor er ganz rauskletterte, drehte er sich zu dem Collie um, der hinter der Rückbank sass und leise vor sich hin hechelte: „Zwockel, du bleibst kurz hier, Hunde dürfen da nicht rein.“
Damit wandte sich der Junge ab und folgte Raffi, die bereits zum Tankstellen-Shop hinüber rannte.
Die Luft unter dem Vordach roch nach Benzin und Motorenöl und flimmerte in der Hitze dieses brütend heissen Mittwochnachmittags Ende August.
Drinnen im gekühlten Shop verschwand Raffi schnurstracks zu den Toiletten. Debora blätterte am Zeitschriftenstand in einem Pferdemagazin, und Simon sah sich am Musik-Regal nach brauchbaren CDs um, während Silvia draussen tankte.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite stand ein paar hundert Meter stadteinwärts ein schmuckloses graues Gebäude. Die Aufschrift Fürsorgeamt / Jugendamt prangte auf dem Messingschild neben der schweren Holztür, die in diesem Moment aufging.
Ein blonder Mann um die Vierzig trat heraus.
Ihm folgte ein gutaussehender Junge, der etwas älter als Simon war und dichte schwarze Locken hatte. Er trug ein weißes, enges T-Shirt, das seine braune Haut gut zur Geltung brachte, dazu Jeans mit coolem Gürtel und weiße Turnschuhe. Seine Klamotten machten sich ausgezeichnet an seinem sportlichen, wendigen Körper.
Der Junge ging mit dem Mann auf einen roten Fiat zu, der am Straßenrand geparkt war.
„Schade, dass dein Vater nicht kommen konnte, Manuel“, sagte der Mann.
Manuel zuckte nur die Schultern. „Ist es weit bis dorthin?“
„Nein, ein Dorf ziemlich in der Nähe.“ Er schaute den Jungen an, während er das Auto aufschloss. „Du weißt, das ist jetzt deine letzte Chance. Es liegt alleine an dir, sie zu packen.“
Teilnahmslos stieg Manuel ein. Nach einem Blick zu seinem Koffer, der auf dem Rücksitz lag, sagte der Junge: „Ich muss noch rasch was zu Trinken kaufen da vorne an der Tankstelle, ich habe Durst.“
„Okay.“ Der Mann ließ den Motor an und gab Gas.

Als der rote Fiat losfuhr, lösten sich aus dem Schatten eines Hauseingangs in der Nähe zwei junge Männer. Trotz der Hitze hatten sie dünne Baumwollmützen auf. Unter den hellgrauen Käppchen mit dem Aufdruck eines kleinen, rechteckigen Zeichens in Blau-Rot-Weiß schauten dunkle Haarsträhnen hervor.
Die beiden beobachteten das wegfahrende Auto.
„Wie können wir ihm jetzt folgen, wenn er mit einem Wagen davongondelt, Raul?“, fragte der Jüngere und hob seine Sonnenbrille.
„Hast recht, wir brauchen auch eine Karre, Felipe!“ Raul strich sich über sein Kinnbärtchen und ließ dabei den Wagen mit dem Mann und dem Jungen nicht aus den Augen.
Eben hielt der rote Fiat vorne bei der Tankstelle an. Manuel stieg aus und ging in den Shop, während der blonde Mann am Steuer sitzenblieb.
„Los“, rief Raul, „Beeilung!“
Die zwei Beobachter rannten über die Straße und eilten drüben den Gehsteig entlang zur Tankstelle.
Dort sahen sie sich unter dem Vordach bei den Zapfsäulen aufmerksam um.
Dabei fiel ihr Blick auf Silvia, die gerade den Tankdeckel ihres Kombis zuschraubte und zum Laden hinüberging, um zu zahlen.
Die beiden jungen Männer huschten zu Silvias Wagen und linsten durchs Fahrerfenster hinein. Unterhalb des Steuerrads steckte der Schlüssel im Zündschloss.
Raul hob den Kopf und ließ den Blick rundum schweifen.
Niemand schaute her. Keiner beachtete sie.
Mit einer schnellen Bewegung griff er oben in sein T-Shirt, führte den Anhänger seines Halskettchens an die Lippen und küsste ihn, bevor er die Autotür öffnete.
Felipe tat es ihm gleich. Dann ließ er sich auf den Beifahrersitz fallen und senkte seine Sonnenbrille wieder auf die Nase hinab.
Über Rauls Gesicht strich ein Lächeln, als er den Zündschlüssel drehte.

Im Tankstellen-Shop warf der gutaussehende Junge an der Kasse einen Kontrollblick durchs Schaufenster zu seinem Begleiter draußen im roten Auto. Der blonde Mann am Steuer sah gerade nicht her. Deshalb nahm Manuel rasch den Gegenstand von der Theke, den er sich eben gekauft hatte – kein Getränk, sondern eine Schachtel Zigaretten. Zufrieden schlenderte er damit Richtung Ausgang.
Dabei fiel ihm das Mädchen am Zeitschriftenstand auf. Interessiert blieb er stehen und musterte Debora aufmerksam – er hatte ein Auge für hübsche Mädchen …
Am anderen Ende des Ladens trat Raffi aus dem Klo und hüpfte beschwingt zu Silvia, die eben am Zahlen war.
Plötzlich hielt die Kleine jedoch an und zeigte nach draußen. „He, da fährt ja unser Auto weg!“
Erschrocken wandten die anderen sich um und konnten eben noch sehen, wie Silvias Kombi auf die Straße einbog.
Sofort rannten die Kids zur Tür. Dort stand ihnen allerdings Manuel im Weg.
„Achtung, zur Seite!“, rief Simon, doch als er sich an dem schwarzlockigen Jungen vorüber drängen wollte, wurde Manuel gegen ein Gestell geschubst. Kaugummis und Schokoriegel rappelten zu Boden.
„Hey, sachte, sachte!“, versetzte Manuel gereizt. „Nur nicht so hektisch hier!“
„Lass mich durch! Wir müssen raus!“
„Was soll der Stress?“
Simon hatte keine Zeit für lange Erklärungen. Entschlossen wand er sich an dem Jungen vorbei, und seine Schwestern folgten ihm.
Draußen schauten die drei Kaminski-Kids dem Kombi auf der Straße hinterher. Vorne drin waren zwei Gestalten mit hellen Mützen zu erkennen, und durch die Rückscheibe sah Zwockel jaulend zu ihnen heraus.
Rasch nahmen die Kids die Verfolgung auf und rannten quer durch das Tankstellen-Gelände.
Sie waren schnell, doch sie hatten keine Chance – das Auto hängte sie locker ab.
„Zwockel!“, rief Raffi geschockt.
Aus dem Shop kamen Kunden und die Kassiererin, und alle starrten dem Wagen nach.
Verzweifelt schrie Raffi: „Zwockel wird entführt! So haltet doch das Auto auf!“
„Der ist so gut wie weg“, meinte ein Kunde. „Das gibt’s ja nicht!“
In dem Moment bemerkten die Kids, dass der Kombi an der nächsten Kreuzung in der Kolonne vor einer roten Ampel anhalten musste.
Und schon stürmten sie wieder los, in vollem Tempo den Gehsteig entlang.

2. Bruchlandung im Straßengraben

Zwockel bellte im Kombi hinten drin wie wild. „Bring den Köter zum Schweigen!“, rief Raul am Steuer seinem Beifahrer zu. „Wir biegen bei der nächsten Straße rechts rein und warten, bis Manuel in dem roten Fiat vorbeifährt – und dann folgen wir ihm!“
„Wenn ich gewusst hätte, dass da so ein Kläffer drin ist, hätten wir bestimmt nicht diese Karre genommen!“ Genervt drehte Felipe sich um und brüllte den Collie an: „Jetzt halt endlich mal die Schnauze!“
Doch Zwockel dachte nicht daran. Stattdessen sprang er über die Sitzlehne auf die Rückbank und knurrte von da aus den Beifahrer zähnefletschend an.
„Schnauze!“, wiederholte Felipe.
Das brachte genau nichts. Im Gegenteil.
Als der Wagen bei Grün wieder losfahren konnte, schnappte Zwockel nach Felipe und kriegte ihn am Arm zu fassen. Verzweifelt versuchte der junge Mann den Hund abzuschütteln, bedrängte dabei aber den Fahrer.
Das Auto geriet ins Schlingern. Nach den letzten Stadthäusern schrammte es bedrohlich nahe an einem Kartoffelacker entlang.
„Raul!“ Panisch zerrte Felipe an dem Ärmel zwischen Zwockels Zähnen. „So hilf mir doch!“
Raul langte mit einer Hand herüber, um Zwockels Halsband zu erwischen, doch der Collie wich ihm aus und griff nun ihn selbst an.
In voller Fahrt versuchte Raul, den Hund abzuwehren und gleichzeitig das Lenkrad zu steuern. Dabei geriet das Auto endgültig außer Kontrolle und schleuderte auf die Gegenfahrbahn.
„Pass auf, Raul!“ Mit angstgeweiteten Augen starrte Felipe nach vorne auf die Straße.
Ein Lastwagen kam genau auf sie zu. Das riesige Gefährt hupte und blendete drohend die Scheinwerfer auf. Donnernd nahte das blinkende Ungetüm, nun fehlten nur noch ein paar Meter …
Im letzten Moment riss Raul das Steuer herum.
Mit einem heftigen Ruck wurde Zwockel zur Seite geworfen und durch das Wageninnere geschleudert.
Die Reifen des Kombis quietschten ohrenbetäubend, seitlich donnerte der Lastwagen haarscharf an ihnen vorbei, und sie schlitterten von der Strasse.
Dort landeten sie am Rand des Kartoffelfelds und blieben holpernd stehen.
Eine unheimliche Stille breitete sich aus.
Zwockel lag reglos auf dem Rücksitz.
Felipe fasste sich als erster. „Los, Raul, gib Gas!“
Der Motor heulte auf, doch die Räder drehten durch. „Mist, ich krieg die Karre nicht mehr raus!“
„Dann nichts wie weg hier!“
Die beiden Männer rissen die Türen auf und flüchteten zu Fuss quer über den Acker.
Den Collie ließen sie einfach liegen.

Als die Kaminski-Kids keuchend beim Kombi ankamen, sahen sie gerade noch zwei Gestalten am Ende des Kartoffelfelds im nahen Wald verschwinden.
„Zwecklos, sie zu verfolgen“, schnaufte Simon. „Ihr Vorsprung ist zu groß. Habt ihr gesehen, wer’s war?“
Debora stützte schwer atmend die Hände in die Knie. „Nicht wirklich … Ich glaube, sie waren ziemlich jung, und sie trugen so helle Mützen – aber mehr konnte ich auch nicht erkennen.“
„Zwockel!“, schrie Raffi plötzlich.
Bleich riss sie die hintere Tür des Kombis auf und starrte den Hund an.
Zwockel lag mit schlaffen Gliedern auf der Rückbank.
Er rührte sich nicht. Seine Zunge hing seitlich aus der Schnauze. Ein Auge war halb geöffnet und schaute ins Leere.
„Zwockel“, presste Raffi mit erstickter Stimme hervor. „Du bist doch nicht etwa … Wach wieder auf! Bitte wach wieder auf!“
Sie warf sich in den Wagen und schlang die Arme um den Collie. „Zwockel! Bitte, bitte wach wieder auf!“
Aber es nützte nichts.
Der Hund machte keine Bewegung.
Es sah ganz so aus, als wären die Kids zu spät gekommen.
Raffi begann zu schluchzen.
Tröstend legte ihr Debora die Hand auf den Rücken. „Nicht weinen, Raffi“, versuchte sie die Kleine zu beruhigen. Doch es klang nicht sehr überzeugend.
War Zwockel wirklich nicht mehr am Leben …?